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ViEW

Unser Newsletter für institutionelle Investoren

"Bei vielen Größen im Kapitalmarkt gilt: Die eine und alles erklärende Variable gibt es nicht."

Nach einem guten Jahresstart prägen sowohl geopolitische Themen als auch Unsicherheiten bezüglich der Zinssenkungen durch die Notenbanken das aktuelle Kapitalmarktumfeld.

Daher betrachten wir in dieser Ausgabe die Aussichten für globale Währungen, sprechen über die anstehende Europawahl und analysieren, wo die Zinsmärkte ein anderes Inflationsbild implizieren, als die offiziellen Prognosen. Wir beschäftigen uns mit der aktuellen Situation bei Transaktionen in der Assetklasse Infrastruktur und zeigen auf, wie ein ungewöhnliches Agrar-Investment zu einer Win-Win-Situation werden kann.

Ich wünsche Ihnen wieder spannende „ViEWs“!
Ihr Frank Becker

Happy Birthday MEAG

1999 ziehen Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin, die Weltbevölkerung überschreitet die Sechsmilliarden-Grenze, und eine totale Sonnenfinsternis beeindruckt die Menschen kurz vor Ende des Jahrtausends.

Munich Re und ERGO gründen im April 1999 die MEAG als gemeinsamen Asset Manager. Diese startet mit klarer Zielsetzung: Einer der erfolgreichen Player im Asset Management zu sein und den Total Return der Kapitalanlagen signifikant zu steigern.

Die MEAG wächst kontinuierlich. Heute verwaltet sie ein Vermögen von 340 Milliarden Euro, davon 60 Milliarden Euro für institutionelle und private Kunden. Kompetenz verbindet – mehr als 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten für den Erfolg unserer Anleger.

Währungen: Die Ruhe vor dem Sturm?

Große Währungskrisen sind dem Westen in den letzten Jahren erspart geblieben, selbst nach der russischen Invasion der Ukraine gab es nur einen kurzen Anstieg der Volatilitäten an den Devisenmärkten. Ein Blick in Richtung einiger fragilerer Schwellenländer zeigt jedoch, dass Währungen ihre Funktion als Seismograph für positive und negative Entwicklungen nicht verloren haben. Die Divergenzen in den unterliegenden wirtschaftlichen Entwicklungen sollten die Spannungen im System genauso erhöhen, wie die immer kritischer werdende geopolitische Situation. Von daher sollten sich Anleger darauf einstellen, dass die derzeitig niedrige Volatilität an den Währungsmärkten eine Ruhe anzeigt, die sich schon bald als trügerisch herausstellen könnte.

Ökonomische Divergenzen und geopolitische Risiken sollten die Währungsvolatilität steigen lassen.

Dr. Jürgen Callies, Head of Research

Eine Währung ist zum einen ein Zahlungsmittel, sie ist aber auch gewissermaßen das Abbild des gesamten monetären Systems eines Staates. Wechselkurse spiegeln das Austauschverhältnis dieser Zahlungsmittel wider und ihre Bewegungen werden häufig als Indiz für die relative Stärke oder Schwäche der Wirtschaft eines Staates interpretiert.

Erklärungsmuster für Wechselkursbewegungen gibt es in der Historie viele: Von der zunächst dominierenden „realwirtschaftlichen“ Variante der Außenhandelsüberschüsse bis hin zu den Kaufkraft- oder Zinsparitäten, die die relative Geldwertstabilität respektive Zinsrelation als Maßstab verwenden, bis hin zur relativen Attraktivität des Wirtschafts- und Kapitalmarktstandortes. Wirtschaftstheorie und Kapitalmarktteilnehmer haben zu verschiedenen Zeiten immer verschiedene Erklärungsmuster für die relative Stärke von Währungen zueinander gehabt, denn wie bei vielen Größen im Kapitalmarkt gilt: Die eine und alles erklärende Variable gibt es nicht. Hinzu kommt, dass Währungen die Assetklasse sind, die über Notenbanken maßgebliche Marktteilnehmer hat, die sich nicht immer von dem direkten Ertrag ihrer Investments leiten lassen, sondern bei ihren Interventionen eher Ziele im Sinne haben, die aus dem Einfluss des Wertes einer Währung auf Wachstum und Inflation getrieben werden.

Die Divergenzen in der wirtschaftlichen Entwicklung sind evident. Die Consensuserwartung für das US-Wachstum 2024 hat sich in den letzten vier Monaten nahezu verdoppelt, für die Eurozone sind sie etwa gleich geblieben, für Deutschland eher rückläufig. Zwischen US-Treasuries und Bunds sind nahezu 200 Basispunkte Renditedifferenz. China kämpft mit einer Deflation. Japan hat einen vorsichtigen Zinserhöhungszyklus gestartet, während die anderen das Ausmaß ihres Zinssenkungszyklus kalibrieren. Steigende Zinsen stellen Herausforderungen für die Schuldentragfähigkeit insbesondere sehr hoch verschuldeter Länder wie Japan oder Italien dar. Die geopolitische Lage birgt über den Nahen Osten das Risiko eines weiteren globalen Angebotsschocks, der insbesondere Europa und China treffen würde, während dank der zu erwartenden „Shale Oil“-Expansion die USA hier weniger zu befürchten hätten.

Europawahlen bergen das Risiko einer weiteren Fragmentierung der europäischen Politik, während in den USA nach den Wahlen im November eine neue Runde der „America First“-Politik anstehen könnte. Gemessen an den politischen Spannungen und ökonomischen Divergenzen sind die Volatilitäten am Devisenmarkt niedrig, sie vermitteln meiner Einschätzung nach eine trügerische Ruhe. Die Bewegungen der letzten Tage deuten aber bereits an, dass sich dies bald ändern könnte.

Aktuelle Volatilitäten am Devisenmarkt auf vergleichsweise niedrigem Niveau
JPM Global FX Volatility Index


Quelle: Bloomberg, MEAG Research

Vor über 30 Jahren verarbeiteten die westlichen Märkte auch erhebliche ökonomische Divergenzen und die Folgewirkungen von zwei geopolitischen Krisen (erster Irak-Krieg 1990/91, Auflösung der Sowjetunion nach Putschversuch 1991), was im Crash des Britischen Pfundes und dem Austritt aus dem EWS mündete. Das muss kein Omen sein, nur anhaltende Divergenzen und zwei anhaltende Krisen (Krieg in der Ukraine, Konflikte im Nahen Osten) schaffen ein Bild, das eher herausfordernd für Währungen und ein Indikator für höhere Volatilität in der Zukunft sein sollte.

Bio-Renditen

Natural Capital ist eine uralte, hoch interessante und, nicht zuletzt im Kontext Nachhaltigkeit, zeitgemäße Assetklasse mit vielen Facetten. Hierunter zählen Investments in Forst, aber auch in unterschiedliche Formen landwirtschaftlicher Flächen. Die MEAG hat in diesem Segment über viele Jahre eine globale Kompetenz aufgebaut, die auch auf die Entwicklung innovativer Konzepte abzielt.

Eine interessante Variante dieser „Trüffelsuche“ ist die Unterstützung von Biolandwirten, um konventionelle Flächen auf biologische Landwirtschaft umzustellen. Diese Strategie betreiben wir in den USA mit Partnern seit 2020 aktiv. Der dortige Markt verzeichnet eine steigende Nachfrage nach Bio-Produkten, allerdings werden aktuell weniger als ein Prozent der Flächen entsprechend zertifiziert und bewirtschaftet. Aktuell sind die USA daher Netto-Exporteur von konventionellen und Netto-Importeur von Bio-Produkten, was nicht für die eigentlich gebotene Regionalität spricht. Für eine Umstellung gibt es in den Vereinigten Staaten kaum öffentliche Fördermittel. Der Kornspeicher der USA liegt im Mittleren Westen, welcher beste Böden, gute Witterungsbedingungen und eine hoch entwickelte Infrastruktur aufweist. Dominiert wird die Region von konventioneller Landwirtschaft, die alle heutigen technischen und chemischen Möglichkeiten nutzt.

Die Region ist auch für biologischen Anbau sehr attraktiv, da die Ertragsunterschiede zur konventionellen Produktion vergleichsweise gering ausfallen. Am Anfang unserer Überlegungen zum Markteintritt gingen wir zunächst der Frage nach, warum nur wenige Farmer auf biologische Landwirtschaft umstellen und wie sie dabei besser unterstützt werden könnten. Als wesentliche Hürde wurde die dreijährige Umstellungsphase der Felder identifiziert. Während die Erträge niedriger sind, weil sie schon nach biologischen Richtlinien produziert werden, können die Erzeugnisse nur als konventionelle Ware angeboten werden. Daher wurde ein Konzept entwickelt, das vorsieht, Flächen zu erwerben und an Biobauern zu einer Rate zu verpachten, die während der Umstellungsphase deutlich reduziert ist, danach erhöht und durch eine Gewinnbeteiligung ergänzt wird. Dies schafft, in Kombination mit ortsuntypisch langen Pachtlaufzeiten, hohe Planungssicherheit für die Farmer.

Auf dieser Basis konnte ein breites Portfolio von Flächen erworben und an Biobauern verpachtet werden, die uns wiederum mit deren Netzwerk vor Ort bei der Identifikation attraktiver neuer Flächen unterstützen. Resultat: Eine Win-Win-Situation, bei der die Erzeugung biologischer Lebensmittel unterstützt, die Planungs- und Erwerbsgrundlage für die Bauern verbessert wird und die Investoren attraktive und sichere Renditen über eine gut diversifizierte Anzahl von Assets erzielen.

Dr. Hinrich Schulte, Investment Manager Agriculture

Ein Espresso mit …

Harald Steiner, Director Institutional Sales, im Gespräch mit Dr. Anton Fischer, Produktkoordinator Makro Research

HS: Wird es bei den Europawahlen Anfang Juni einen Rechtsruck geben?
AF: Ja, das ist zu erwarten. Die Umfragen sind da relativ eindeutig, auch wenn es in den letzten Wochen noch zu leichten Verschiebungen kommen kann und die Wahlbeteiligung mitentscheidend sein wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Europaparlament dem beobachtbaren Trend zu nationalistischeren Strömungen in vielen Mitgliedsländern folgt.

HS: Wenn sich der erwartete Rechtsruck nach der Wahl bestätigt, würde das neue Parlament dann eine Blockadepolitik einleiten?
AF: Wir dürften dort weiter eine integrationsfreundliche Mehrheit haben. So ist nach den letzten Umfragen damit zu rechnen, dass die EVP zur größten Fraktion wird, gefolgt von der S&D. Diese „große Koalition“ hätte dann um die 310 der 720 Sitze und kann sich je nach Abschneiden Unterstützung von den Grünen und/oder den Liberalen holen. Wenn es zur Blockade im europäischen Getriebe kommt, dann sehe ich die Gefahr eher von den Mitgliedsländern ausgehen, so ist zum Beispiel noch unklar, was die Regierungsbildung in den Niederlanden bringt oder nach den Parlamentswahlen in Österreich passiert.

HS: Der Rechtsruck im Europaparlament hätte also keine nennenswerten Auswirkungen?
AF: Falls der rechte Flügel in der Wahl über ein Drittel der Sitze erreicht und gemeinsam handelt, wäre eine Blockade in bestimmten Bereichen möglich, aber kritischer könnte in dieser Hinsicht der ungarische Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr sein.

HS: Kommt eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen?
AF: Nachdem die EVP wohl am meisten Sitze haben wird, sollte der wichtigste Job an sie gehen. Es sei denn, der Rat wiederholt das Drama der letzten Europawahl, als der damalige Spitzenkandidat der EVP, Manfred Weber, schmerzhaft erfahren musste, welche Überraschungen möglich sind.

HS: Welche Schwerpunkte bringt die nächste Legislaturperiode?
AF: Die Herausforderungen bleiben groß, beginnend mit einem neuen, alten US-Präsidenten, aber auch in der Verteidigungs- und der Klimapolitik. Da alle Themen immer eine fiskalische Komponente haben, sollte sich die neue Kommission auf ein Kernthema konzentrieren, nämlich das Wiedergewinnen von Wettbewerbsfähigkeit. Nur dann kann genug Wachstum generiert werden um diese Aufgaben zu lösen.

HS: Was wäre aus deiner Sicht die beste Wahl für Europa?
AF: Das wichtigste ist, die Freiheit zu nutzen, zur Wahl zu gehen!

Infrastructure Equity ist 2024 ein Käufermarkt

Infrastructure Equity-Investoren finden für ihr Kapital derzeit viele Anlagemöglichkeiten und drängen auf bessere Konditionen beim Kauf. Über die aktuelle Situation der Assetklasse spricht Alexander George, Director Institutional Sales, mit David Pecher, Senior Investment Manager im Team Infrastructure Equity Transactions.

AG: Wie würdest du nach zwei ereignisreichen Jahren das derzeitige Umfeld für Infrastrukturinvestitionen beschreiben?
DP: Aufgrund der gestiegenen Zinsen und der Zurückhaltung vieler Investoren steht deutlich weniger Eigen- und Fremdkapital zur Verfügung. Gleichzeitig ist eine Anpassung der Preise erkennbar, das heißt die Renditen steigen. So sind EBITDA Multiples, zum Beispiel bei Digitaler Infrastruktur, in Q1 2024 gegenüber 2023 um knapp 25 Prozent gefallen. Andere Infrastruktursektoren zeigen ähnliche Entwicklungen. Aus der Zinsentwicklung alleine ergeben sich je nach Verschuldungsgrad 100 bis 200 Basispunkte höhere zu erwartende Returns, wodurch sich die Prämie gegenüber Fremdkapital wieder angleicht. Der Effekt der Kapitalknappheit zeigt sich konkret in der besseren Verhandlungsposition der Eigenkapitalgeber.

David Pecher

David Pecher

Senior Investment Manager Infrastructure Equity

Die Energiewende bleibt ein wichtiger Technologie- und Wachstumstreiber.

AG: 2024 ist also ein klarer Käufermarkt für solche Investoren, die in diesem Segment Kapital allokieren können. Gibt es weitere Gründe, warum das Angebot an Eigenkapital im Infrastruktursektor derzeit nicht mit dem Bedarf zusammenfindet?
DP: Fundraising für Infrastructure Equity befand sich über viele Jahre in einem Wachstumsmodus, der als Folge der Zinssteigerungen und Marktverwerfungen einen Schock erlitt. In 2023 wurde rund 80 Prozent weniger Kapital im Vergleich zum Vorjahr eingeworben. Dieser Wendepunkt ist nicht in der Performance der Assets zu suchen, die ihre Resilienz in der jüngsten makroökonomischen Krise erfolgreich unter Beweis gestellt haben. Vielmehr hat der „Denominator-Effekt“ für die Zurückhaltung von institutionellen Investoren gesorgt. Die strategischen Allokationen für illiquide Anlageklassen wurden überschritten, weil der Wert der liquiden Portfolios gesunken ist. Erste Anzeichen zeigen, dass der Tiefpunkt erreicht ist. Einer aktuellen Marktumfrage zufolge gaben nur noch 16 Prozent der Limited Partner (LPs) an, die Commitments in Infrastruktur zu reduzieren, während 45 Prozent diese erhöhen möchten.
Gründe dafür sind die Erholung der liquiden Märkte seit 2022, was den Denominator-Effekt abschwächt, und gleichzeitig wird eine höhere Allokation in der eher jungen Anlageklasse Infrastruktur in den Portfolien der LPs erlaubt.

AG: Mit was kann man LPs im Fundraising überzeugen?
DP: Die Nachfrage, insbesondere nach den risikoärmsten „Super-Core“-Assets, ist in den Hintergrund getreten. Angesichts der gestiegenen Renditeanforderungen von Anlegern sollten die Initiatoren eine ausgewogene Strategie, bestehend aus risikoarmen und stabilen „Core“-Assets, die um eher wachstumsorientierte „Core-Plus“-Investments ergänzt werden, anbieten, um im aktuellen Marktumfeld zu punkten. Des Weiteren ist das Interesse von LPs an Co-Investitionen, also der direkten Anlage in die Investments der General Partner (GPs), angestiegen. Auf diesem Wege erhalten LPs die Möglichkeit, ihren Anteil an ausgewählten Assets gezielt zu erhöhen, um ihren Risiko- und Allokationspräferenzen noch besser Rechnung zu tragen.

AG: Banken werden zurückhaltender mit der Fremdkapitalvergabe. Was bedeutet dies für Infrastrukturinvestments?
DP: Bis Anfang 2023 konnte der Markt noch die Liquidität verarbeiten, die dem System während der Covid-19 Pandemie zugeführt wurde. Das hat sich aber grundlegend geändert. Banken müssen ihre Risiken vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Ungewissheit und gestiegener regulatorischer Anforderungen managen. Sie verfolgen einen konservativeren Ansatz und halten sich bei der Kreditvergabe zurück. Die Vergabe von Krediten mit attraktiven Zinsen und hohem Verschuldungsgrad erfolgt nur dann, wenn das finanzierte Unternehmen langfristig fest kontrahierte Umsätze aufweisen kann. Somit sind diese Unternehmen auch für Eigenkapitalinvestoren besonders attraktiv, da hier künftig auch der Einsatz von Leverage weiterhin die Renditen optimiert.

Alexander George

Alexander George

Director Institutional Sales

Banken werden zurückhaltender mit der Fremdkapitalvergabe.

AG: Was sind die Trends im Infrastrukturumfeld für 2024?
DP: Trotz der makroökonomischen Herausforderungen sind wir hinsichtlich der kurz- und langfristigen Aussichten für Infrastrukturinvestitionen so optimistisch wie lange nicht. Insbesondere gefällt uns der Bereich „Digitale Infrastruktur“, mit dem Wirtschaft und öffentliche Infrastruktur zukunftssicher gemacht werden, um höheren Anforderungen und verändertem Nutzungsverhalten standzuhalten. Auch die Energiewende bleibt ein wichtiger Technologie- und Wachstumstreiber. Mit vielen mittel- und langfristigen Vertragskonstellationen ist dieses Segment für Infrastrukturinvestoren attraktiv. Im ESG-Kontext denken GPs und LPs verstärkt über Umwelt- sowie Sozialaspekte einer Investition nach und suchen Anlagemöglichkeiten, die ökologische oder soziale Ziele unterstützen.

Was der Kapitalmarkt heute über die Inflation von morgen sagt

Die Inflation ist auf dem Rückzug, so hört man es landauf, landab in den Medien. Und das mit gutem Grund, denn die Teuerungsrate in der Eurozone nahm in den letzten 18 Monaten von in der Spitze über 10 Prozent pro Jahr auf nun nur noch 2,4 Prozent p. a. recht deutlich ab. Doch wie kam es dazu? Ist die Rückkehr zu Vorkrisen-Niveaus damit ausgemachte Sache? Und welche Signale sendet der Kapitalmarkt dazu?

Jakob Reithmann

Jakob Reithmann

Senior Portf. Manager Active Fixed Income Macro

Die Kapitalmärkte gehen davon aus, dass sich die Inflationsrate nur gemächlich abschwächt.

Volkswirte unterscheiden zwischen Preissteigerungen bei Gütern auf der einen, und Dienstleistungen auf der anderen Seite. Diesen beiden Kategorien liegen unterschiedliche Treiber zugrunde; so spielen globale Entwicklungen eine große Rolle in der Preisfindung bei Gütern, deren Produktion häufig in weltweiten Wertschöpfungsketten organisiert ist. Der Markt für Dienstleistungen dagegen ist deutlich lokaler aufgestellt – was das Beispiel eines Friseurbesuchs gut illustriert.

Beide Komponenten spielen bei dem Blick auf die vergangene Inflationsentwicklung eine wichtige Rolle. So wirkten sich fallende Güterpreise aufgrund deutlich gefallener Energiepreise, niedriger Frachtkosten sowie günstigerer Erzeugerpreise, insbesondere von asiatischen Produzenten, in den letzten zwölf Monaten stark bremsend auf die Entwicklung der Inflationsraten in der westlichen Welt aus. Insgesamt betrachtet liegt die Güterinflation in der Eurozone mit zurzeit 1,5 Prozent nun sogar knapp 0,6 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten 25 Jahre.

Ganz anders dagegen stellt sich die Entwicklung der Preise für Dienstleistungen dar. Mit aktuell knapp 4,0 Prozent liegt diese deutlich über dem Ziel der EZB. Doch damit ist sie in bester Gesellschaft, denn auch die Federal Reserve sowie die Bank of England klagen über weiterhin zu hohe Dienstleistungspreise.

Doch wie geht es weiter? In der Eurozone erwartet die EZB in ihren letzten Prognosen Mitte März eine reibungslose Rückkehr zur bzw. unter die angestrebte Zielmarke von 2 Prozent im Jahr 2026. Die Federal Reserve ist ähnlich optimistisch und rechnet damit, dass die dort gängige Größe der persönlichen Konsumausgaben (PCE) in zwei Jahren genau auf Ziel liegt.

Als Vergleichsmaßstab für diese offizielle Prognosen können neben den Ergebnissen aus Umfragen wie zum Beispiel dem ZEW bzw. der University of Michigan auch Informationen aus gehandelten Kapitalmarktprodukten herangezogen werden. Dabei spielen neben implizierten Inflationserwartungen aus Gewinnprognosen gelisteter Unternehmen vor allem inflationsindexierte Anleihen eine wichtige Rolle. Doch wie funktionieren diese Produkte? Und was sagen sie über die weitere Entwicklung der Inflation aus?

Inflationsindexierte Anleihen, in den USA auch bekannt als TIPS bzw. Linker, sind Anleihen, bei denen sowohl der Nennwert als auch die Kuponzahlungen an die Inflation angepasst werden. Dies bedeutet, dass der Wert der Anleihe steigt, wenn die tatsächliche Inflationsrate über der erwarteten Rate liegt. Diese Papiere werden zum größten Teil von bonitätsstarken Emittenten, wie Deutschland, Frankreich oder den USA begeben und weisen dementsprechend nur geringe Kreditrisiken auf. Vergleicht man die Endfälligkeitsrendite inflationsindexierter Anleihen mit klassischen/nominalen Anleihen, lässt sich grob die erwartete Inflationsrate über den zugrundeliegenden Zeitraum ableiten. Diese Zahl ist jedoch aufgrund von Marktstruktureffekten nicht uneingeschränkt mit den offiziellen Prognosen vergleichbar und bedarf einiger Korrekturen.

Summa summarum präsentieren die Kapitalmarkte ein etwas anderes Bild als die offiziellen Prognosen. So gehen sie davon aus, dass sich die Inflationsrate sowohl in der Eurozone als auch in den USA nur gemächlich abschwächt und nach einem Tiefpunkt im Jahr 2027 erneut beschleunigt. Betrachtet man die eingepreiste Trendinflation, also die Inflationsrate, die in fünf Jahren für die nächsten fünf Jahre erwartet wird, so liegt diese mit 2,64 Prozent (USA) bzw. 2,39 Prozent (Europa) knapp unter den Höchstständen der letzten zehn bzw. zwölf Jahre. Dabei stehen neben Spekulationen um eine Anpassung des Inflationsziels auf 3 Prozent auch Angebots- und Nachfrageeffekte im Vordergrund. In diesem Kontext ist die bereits letztes Jahr kommunizierte Verringerung des Angebots an deutschen Linkern ein Treiber für strukturell höhere Inflationserwartungen.

Darüber hinaus ist, wie die Grafik unten illustriert, das Investoreninteresse an TIPS aktuell recht gering, welches sich angesichts der hohen Unsicherheit über den weiteren Inflationspfad sowie der attraktiven Bewertungen jedoch auf absehbare Zeit ändern könnte.


Aktuell niedriges Investoreninteresse für Linker trotz attraktiver Bewertungen


Quelle: Bloomberg

Einen letzten wichtigen Aspekt längerfristiger Inflationserwartungen stellen Effekte im Zuge des fortschreitenden Klimawandels und dessen Bekämpfung dar. Akademische Studien beziffern den Einfluss auf globale Inflationsraten ab 2035 bis 2050 auf bis zu 1 Prozent p. a., was Inflationserwartungen wie auch inflationsindexierte Anleihen, ungeachtet des zyklischen Hintergrunds, Auftrieb geben könnte.

Unter dem Strich weichen die erwarteten Inflationsentwicklungen des Kapitalmarktes zum Teil von den offiziellen Prognosen ab. Dies liegt zum einen an der Marktstruktur, zum anderen aber auch an unterschiedlichen Bewertungen demographischer sowie makro-ökonomischer Entwicklungen. Sollten die Marktteilnehmer Recht bekommen, werden uns die historisch gesehen hohen Inflationsraten weiterhin begleiten.

Unser Börsen-Podcast Kapitalmarkt kompakt mit unseren erfahrenen Kapitalmarktexperten Dr. Jürgen Callies und Alexander Hauser:
 

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Archiv

Ausgabe 13Bei vielen Größen im Kapitalmarkt gilt: Die eine und alles erklärende Variable gibt es nicht.

Ausgabe 12Die Erwartung für ein Soft Landing bewegt sich auf einem schmalen Grat.

Ausgabe 11Der Pharmakonzern Novo Nordisk ist nun das wertvollste Unternehmen in Europa. Wie ist es dazu gekommen?

Ausgabe 10Wandel zu finanzieren erfordert Erfahrung, Augenmaß und umfangreiches technisches Know-how.

Ausgabe 9Fragmentierung – Zukunftstrend mit hoher Relevanz für die Kapitalanlage.

Ausgabe 8Eine kluge Kombination aus Analyse, Prävention und Wachsamkeit sollte einen guten Schutz gegen Cyberangriffe bieten.

Ausgabe 7Für Anleger werden sich Opportunitäten ergeben, interessante Renditen mit gesellschaftlichem Nutzen zu verbinden.

Ausgabe 6Nach einem Beben wie 2022 kann man an den Kapitalmärkten nicht zur (alten) Tagesordnung übergehen.

Ausgabe 5Ist eine Verschärfung der Geldpolitik bereits abgeschlossen?

Ausgabe 4Es bleibt ungemütlich. Die Verwerfungen an den Energiemärkten halten uns in Atem. Und kommen mitten in der Gesellschaft an.

Ausgabe 3Davongaloppierende Inflation, steigende Lohnforderungen, Fragmentierungstendenzen in Europa: Die Not der Notenbanken

Ausgabe 2Steigende Zinsen und geopolitische Verwerfungen: Die Kapitalmärkte fest im Griff

Ausgabe 1Hochzinsanleihen, Auswirkungen Ukraine-Konflikt, Assetklasse Forst, Risikomanagement & Wertpapierhandel



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