Aus einem ruhigen Sommer blicken die Kapitalmärkte in einen ungewissen Herbst. Ist die konjunkturelle Erholung bereits vollständig eingepreist? Wird uns eine steigende Inflation doch länger begleiten, als aktuell angenommen? Stefan Amenda, Leiter Equity & Multi Asset, erläutert die Situation und gibt einen Ausblick.
Herr Amenda, die Kapitalmärkte scheinen sich derzeit nicht aus ihrer Sommerruhe bringen zu lassen. Hält die globale Konjunkturerholung Ihrer Ansicht nach an?
Der wesentliche Treiber für die positive Entwicklung in den vergangenen Monaten war die überaus expansive Geld- und Fiskalpolitik. Inzwischen stellt sich zunehmend die Frage, wie lange diese Politik noch verfolgt werden wird. Der Höhepunkt der optimistischen konjunkturellen Erwartungen dürfte wohl überschritten sein.
Weshalb ist der Höhepunkt bereits erreicht?
Einerseits fehlen weitere positive Impulse auf der realwirtschaftlichen Seite. Andererseits beschäftigen uns die Diskussionen über die anziehenden Inflationsraten, und dabei ganz besonders die Frage, ob sie dauerhafte Effekte haben könnten. Hinzu kommen Unsicherheiten mit Blick auf die Delta-Variante: Hält uns die Pandemie doch noch länger auf Trab? Welche Auswirkungen wird eine weitere Infektionswelle mit sich bringen? Und was kommt danach?
Die Europäische Zentralbank EZB hat ihr Inflationsziel gelockert und ist nun bereit, temporär auch eine höhere Inflationsrate hinzunehmen. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
Für einen begrenzten Zeitraum ist dies ein positives Signal gewesen. Doch auf längere Sicht kann eine extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik nicht die Lösung sein. Ein selbsttragender Aufschwung ist noch nicht in Sicht. Dazu braucht es eine strukturelle Anpassung – doch die wird auf die lange Bank geschoben.
Angesichts der weiter andauernden Niedrigzinsphase sind Anleger gut beraten, ihr Vermögen breit zu streuen. Wir im Fondsmanagement der MEAG konzentrieren uns für unsere Kunden auf erstklassige Titel.
Gehen die Maßnahmen Ihrer Meinung nach nicht weit genug?
Der Staat nimmt viel Geld in die Hand, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie zu begrenzen. Maßnahmen, die dazu gedacht waren, die schlimmsten Folgen der Krise abzumildern, werden ausgeweitet und immer wieder verlängert. Für den Moment ist das positiv. Die Kapitalmärkte blicken jedoch stets in die Zukunft. Wir Investoren wünschen uns weitere Impulse sowie eine nachhaltige Strategie im Umgang mit dem Coronavirus.
Wie sind Ihre Aussichten auf die weitere Entwicklung?
Wir rechnen damit, dass Politik und Zentralbanken für die kommenden Herausforderungen einen guten Weg finden werden. Die Pandemie mit ihren Virusvarianten, die Impfmüdigkeit und die weiterhin sehr niedrigen Impfquoten in den Schwellenländern stellen ein gewisses Risiko dar, welches es zu kontrollieren gilt. Doch auf mittlere und lange Sicht sind wir zuversichtlich und unser Ausblick bleibt weiter positiv.
Welche Anlagestrategie verfolgen Sie in der aktuellen Lage?
In der grundsätzlichen Ausrichtung der Kapitalanlage sind wir derzeit neutral. Wir sind zurückhaltend, weitere Risiken einzugehen – aber auch nicht übervorsichtig. Bei den Aktien kommt es jetzt noch stärker auf eine qualitätsorientierte Auswahl an. Bei den Anleihen bevorzugen wir eher die kürzeren Laufzeiten, mit Blick auf etwaige Zinsänderungs-, aber auch Bonitätsrisiken.
Wie sollen sich Anleger in dieser Situation verhalten?
Anleger sollten in der aktuellen Lage Kurs halten und an ihrer Kapitalanlage entsprechend der eigenen Chance-/Risikoneigung festhalten. Auf mittlere und lange Sicht bleibt unser Ausblick weiter positiv.